ich habe ein klein bisschen die augen gerollt - predige ich doch seit 10 jahren (solange gibt es diesen blog schon) den minimalismus beim kleidungskonsum. gelebt habe ich den schon immer. sogar, als ich mein modelabel betrieben hab.
aber darüber habe ich ja auch schon x-mal geschrieben hier auf´m blog......
was tut man nicht alles für freunde
😊
heute will ich mal einen kleinen exkurs in kleidergeschichte geben - und mit ein paar hartnäckigen missverständnissen diesbezüglich aufräumen.....
die geschichte der kleidung ist eine minimalistische und nachhaltige
die ersten fummel der menschen waren mit tiersehnen zusammengeheftete felle, die man den tieren, die man jagte, um sie zu essen, über die ohren zog. und die trug urmensch solange, bis sie ihm vom leib fielen - dann machte er sich neue. selbst nehme ich an, egal ob mann oder frau - arbeitsteilung war noch nicht erfunden und diese idee, dass frauen nähen und männer jagen ist eine idee des extrem patriacharlichen 19.jahrhunderts. reste der fellkleidung flogen in den bush, wo sie von mikroorganismen zu kompost verarbeitet wurden. kreislaufwirtschaft.
dann entdeckte mensch die faser. lange tierhaare, pflanzenfasern. am anfang gejagt und gesammelt, seit der neolithischen revolution angebaut und gezüchtet. das spinnen und weben wurde erfunden - technisch gabs noch keine grossen sprünge und die garne waren grob und die gewebten stoffstücke eher klein. auch die fasern von tier und pflanze gaben noch lange nicht soviel her wie später.... sprich: ein fertig gewebtes stückchen stoff brauchte eine endlose menge an zeit, muckis und gehirnschmalz - war also dementsprechend kostbar!
die kleidung wurde so genäht, dass es keinen verschnitt gab - und dann getragen bis es gar nichtmehr ging. ausserdem natürlich geschont! wenn vattern holz machte oder den acker pflügte, trug er nur lendenschurz - den kittel und die hosen hing er an einen baum, bis es wieder heimging. und muttern (ihr seht, jetzt gibt es arbeitsteilung) trug zur hausarbeit eine schürze überm kittel...... und natürlich hatte jeder nur die kleidung, die er trug. einen schrank - oder truhe - brauchte niemand.
mit dem neolithikum gab es auch die ersten "honoratioren" - anführer, höhergestellte, chefs. und auch die hatten keinen überquellenden kleiderschrank. im prinzip trugen sie das gleiche wie ihre untertanen - plus ein paar "standeszeichen" - besonderen schmuck, besondere waffen. in manchen gesellschaften gab es zeremonialmäntel und/oder kopfbedeckungen für besondere gelegenheiten.
da ja mensch findig ist, wurde die textiltechnologie mit der zeit immer ausgefeilter - genauso wie die gesellschaftlichen strukturen...... aber ein mehr an kleidung gab es deswegen noch lange nicht - nur die qualität der textilien wurde immer besser - bis hin zu raffiniert.
in den alten kulturen in mesopotamien und ägypten konnte man die baumwolle so fein spinnen und weben, dass hauchzarte schleierartige stoffe entstanden. wunderschöne, vielfarbige borten mit feinen blumenmustern habe ich im ägyptischen museum in berlin gesehen..... purpur aus schnecken und ägytisch-blau (aus einem nebenprodukt der kupferverhüttung - nicht aus lapislazuli, damit kann man nicht färben, zermahlen ergibt dieser stein nur ein weissliches pulver) brachten farbe auf die schneeweiss gebleichte baumwolle. könige, hofbeamte und ihre frauen schmückten sich damit wenn sie in der öffnetlichkeit auftraten - alltags tats ein einfacher lendenschurz/kittel.
bauersleute und handwerker trugen die baumwolle sowieso in robusten qualitäten aus naheliegenden gründen - und wenn gefärbt, dann mit eher erdigen pflanzenfarben.
apropo weiss - dass die griechische antike eine reinweisse angelegenheit war, ist mittlerweile wissenschaftlich widerlegt! nicht nur tempel und marmorstatuen waren knallbunt angemalt - die kleidung der menschen war leuchtendbunt gefärbt - mit mehrfarbig gemusterten borten an den säumen. woher man das weis? na von den statuen - deren marmorne kleidung war natürlich so angemalt, wie die kleidermode der damaligen zeit eben aussah. nichts entsteht im luftleeren raum......
auch wenn die ollen griechen spektakuläre handelsbeziehungen in die ganze damals bekannte welt unterhielten und die textiltechnologie grosse fortschritte gemacht hatte - kleidung war immernoch handarbeit von der zucht und gewinnung der faser bis zum anähen der zierborten..... in den städten haben wohl nur die ganz reichen neue kleidung anschaffen können - und wenn die nichtmehr repräsentabel war, begann ein reges "hand me down" (english ist einfach manchmal treffender). entweder bekam das hauspersonal (sklaven) die sachen oder sie wurden trödlern mitgegeben, die sie für kleines geld an die weniger begüterten stadtbewohner verhökerten. die landbevölkerung lebte auch bei kleidung weiterhin im selbstversorgermodus - spinnen, weben, färben, nähen auf einfachem niveau passierten auf den höfen - mit regionalem material versteht sich.
und so ging das im prinzip durch die ganze geschichte - über das römische reich, das mittelalter, renaissance, barock, rokkoko...... kleidung blieb aufwändig in der herstellung und entsprechend kostbar.
und je weiter die mode sich vom kittel entfernte, umso grösser wurde der aufwand. deshalb hatten selbst hochadel oder königs nur eine uns heute sehr beschränkt erscheinende auswahl im kleiderschrank - man kann es gut an den portraits sehen: auf verschiedenen bildern trägt die person dieselben kleider, manchmal etwas variiert in der dekoration - aufputz genannt. oder man sieht die selben spitzen auf verschiedenen kleidern..... diese im barock sehr beliebten spitzendekorationen waren nämlich nicht fest auf der kleidung montiert - sie waren bei entsprechender qualität unfassbar teuer und deswegen hatte man meist nur eine "gute" garnitur. ausserdem musste die spitze, weil aus leinen, vor jedem tragen neu gestärkt und gespannt werden....... dann wurde sie als allerletztes von der kammerzofe an die kleidung geheftet - an der fertig angekleideten person!
überhaupt war die kleidung vom mittelalter bis ins 19.jh. mehr zusammengeheftet als fertig genäht. ärmel wurden ans leibchen oder wams mit bändern "angenestelt" (mittelalter, renaissance), die roben und jäckchen wurden vorn nur mit stecknadeln am mieder befestigt (barock, rokkoko), röcke hatten ein zugband statt eines festen bundes, hosen und männerwesten eine schnürung hinten. das ganze hatte natürlich, bei aller prachtenfaltung, praktische gründe: keine ausgerissene schulternaht bei voller beweglichkeit, ärmel nutzen sich schneller ab und lassen sich so austauschen - und körper verändern sich ständig, vor allem durch schwangerschaften - "variable" passformen sorgten für das möglichst lange tragen der kostbaren textilien - in allen bevölkerungsschichten.
natürlich hat niemand den ganzen aufwand 24/7 betrieben - weder königs noch adel, feister bürger oder klerus. es gab immer eine trennung zwischen den repräsentationsroben und der schlichten, robusten, praktischen alltagkleidung.
und die weniger begüterten gingen auch nicht in lumpen, wie es gern in historienschinken und schlechten dokus gezeigt wird - jeder sah zu, dass er ordentlich und reinlich angezogen war...... die kleider sauber gewaschen und schäden so geflickt, dass es nicht auffiel. und keine arbeitende frau schleifte überlange röcke durch gassen oder über felder - die waren genau so kurz oder lang, dass es bequem beim gehen und arbeiten war und der saum nicht dauernd im schlamm hing.....
denn: die klamotten, egal ob hofkleid oder bergmannsuniform, mussten ewig halten - weil sie verdammt teuer waren.
kleidung, die oft gewaschen werden musste wie leibwäsche, hemden, arbeitskleidung, jagdhosen, reisekleider für den sommer waren übrigens meistens weiss. genauer gesagt aus gebleichtem leinen. warum? ganz einfach: farbe war damals noch nicht sehr beständig in den stoff zu bekommen, lief beim waschen aus..... weisses leinen kann man auskochen, ordentlich schrubben und in der sonne bleichen für hygienisch saubere kleidung.
tat sich der barockmensch auch nicht 2x täglich duschen, so wechselte er doch mindestens täglich, zu besonderen gelegenheiten mehrmals am tag, das hemd - weshalb dieses kleidungsstück weder bei männern noch bei frauen mit spitzen verziert war: die feinen gespinste hätten die ständige kochwäsche und schrubberei kaum überlebt. (spitzen - siehe oben.)
auftritt industrielle revolution!
dampfmaschine, spinnmaschinen, mechanische webstühle mit lochkarten für muster, mechanische strickmaschinen für strümpfe, riesige fabriken mit tausenden billiger arbeiter, die ersten nähmaschinen, schnelle transportwege mit der eisenbahn und dem dampfschiff, die ersten synthetischen farben und textildruckmaschinen legten ein irrwitziges tempo vor.
plötzlich wurde kleidung billig!
neue kleidung wohlgemerkt, nicht die getragenen klamotten von adel und reichen bürgern, die man beim trödler kaufte so man nicht auf´m land wohnte und sich die trachten selbst herstellte........
und sehr schnell sahen die kapitalisten, dass es sich mehr lohnte, stoffe und kleidung in "mässiger" qualität, aber grossen stückzahlen herzustellen...... und das schon in der mitte des 19.jh.!
seitdem dreht sich das rad immer schneller, 1. und vor allem 2. weltkrieg konnten da nur kurz abbremsen..... und heute, wo stoffe quasi im spritzgussverfahren aus erdöl hergestellt werden und völlig entrechtete menschen in der 3. welt sie für einen hungerlohn vernähen - heute ist kleidung nurnoch ein wegwerfprodukt - zumindest für die allermeisten menschen in den industrieländern.......
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noch jemand da?
oder seid ihr vor lauter langeweile ob des vielen textes klamotten-shoppen gegangen?